Dienstag, 28. Oktober 2014

"Was will uns der Autor damit sagen?"

"Was will uns der Autor damit sagen?"

Ich hatte das Glück diese Frage nie gestellt zu bekommen, denn mein Deutschlehrer hat diese Art von Ausgangsfragestellung für die Interpretation eines Textes stets abgelehnt.
Allerdings habe ich mir diese Frage dann öfters zu Hause gestellt, wenn ich über Texten brütete, die für mich keinen Sinn ergaben.
"Was will mir der Autor denn bitte mit dieser Aneinanderreihung von Wörtern sagen?!"
"Wer schreibt denn bitte so einen Mist, den niemand verstehen kann?!"

Aber sollte man sich nicht lieber die Frage stellen: "Will uns der Autor überhaupt etwas sagen?"

In meinem beiliegenden Text von Wiliam K. Wimsatt und Monroe C. Beardsley wird diese Frage eindeutig beantwortet.

"Die Wörter eines Gedichts entspringen, wie Professor Stoll bemerkt hat, einem Hirn und nicht einem Hut."

Folglich, jemand muss sich etwas gedacht haben, als er sein Werk verfasste. Doch manchmal ist es schwierig die Intention eines Autors zu erkennen, die in seinem Schriftstück steckt. Lyrik ist komplex und kann alles beschreiben. Simple Gegenstände und Dinge wie zum Beispiel einen Apfel oder einen Baum, aber auch persönliche Gefühlsempfindungen, Gedanken und Handlungen. Bei den drei letzteren Punkten wird es komplizierter eine gewisse Intention zu erkennen, denn wir können die Welt nur aus unseren Augen sehen und nicht aus den Augen des Autors. Unser Verstehenshorizont basiert auf unseren persönlichen Erfahrungen, während der Verstehenshorizont des Autors auf dessen Erfahrungen basiert, die er womöglich in seinen Schriftstücken verarbeitet.

Kann man also eine bestimmte Intention des Autors als Außenstehender überhaupt festlegen?

"Das Gedicht ist weder das Eigentum des Literaturwissenschaftlers noch des Autors (es wird im Moment seiner Fertigstellung vom Autor getrennt und geht in die Welt, seiner Verfügungsgewalt und seiner Kontrolle entzogen). Das Gedicht gehört der Öffentlichkeit."

Ein Gedicht ist ein selbständiger Gegenstand, den jeder so nutzen kann, wie er es gerne möchte. Vielleicht gelingt es einem Autor, die Absicht seines Verfassens oder seine Botschaft sehr gut darin zu verpacken, doch letztlich liegt es bei dem Leser und an seinem Verstehens-und Interpretationshorizont eine bestimmte Intention aus dem Schriftstück zu ziehen.

Letztlich also kann man die genaue Intention eines Autors nie festlegen, denn es ist nie sicher wie biographisch ein geschriebenes Werk ist und welche Erfahrungen genau der Autor darin verarbeitet. Vielleicht kann der Autor selbst gar nichts konkretes zu seiner Intention sagen, sondern hat sein Schriftstück nur aus einem Gefühl heraus verfasst.
In beiden Fällen kann der Autor aber eines nicht tun und zwar konkret etwas "sagen" bzw "aussagen" wie es der Autor Stromrechnung oder Mahnung möchte. Deren Intention ganz einfach erkennbar ist nämlich: "Geben Sie uns Ihr Geld."

Quelle: Texte zur Theorie der Autorenschaft, herausgegeben und kommentiert von Fotis Jannidis, Gehard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko. Der untentionale Fehlschluss von William K. Wimsatt/ Monroe C. Beardsley S.84-105

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