Da der Analyseprozess bei der Content Analysis immer objektiv vorgegangen wird, (obwohl sich über den Begriff "Objektivität" streiten lässt.) können bei der Forschung interessante Sachen heraus kommen. Zum Beispiel ist eine Text sehr wichtig geworden in einer Art, die die Kultur aus dem er stammt, nicht beabsichtigt hat. (Vgl. Krippendorff 1989, 404)
Zusammengefasst ist die Content Analysis dazu da, um Sachverhalte aufzuspüren, die so nicht sofort offensichtlich sind.
"Why would one want to infer media attention if attention were measurable directly, or why would one want to infer Kennedy's changing attitudes during the Cuban Misile Crisis from his communications if it were possible to interwiev him?" (Krippendorff 1989, 407)
Damit hat er das wichtigste genannt. Wenn wir Sachen in den Geistes-und Sozialwissenschaften genau messen oder standardisieren könnten (wie in der Naturwissenschaft zu großen Teilen), dann müssten wir nicht so lange analysieren, dass wir ganz viele Informationen zusammen werfen und aus den Gemeinsamkeiten, die alle miteinander zu haben scheinen ein Ergebnis herraus zu kristalisieren. Ebenso müssten Geschichtswissenschaftler sich nicht durch riesige Berge an Quellenmaterial arbeiten, wenn sie die historische Persönlichkeit, dessen Motive sie erforschen wollen, einfach fragen könnten. Leider ist dies realistisch gesehen nicht möglich, da die meisten historischen Persönlichkeiten schon tot sind.
Doch Moment, das geht doch in manchen Fällen noch. Gorbatschow zum Beispiel lebt noch. Theoretisch könnte man ihn noch zu seinen Motiviation was Glasnost und Perestroika betrifft Fragen.
Doch genau hier würde sich jetzt Umberto Eco einschalten und widersprechen. Gut, ich gebe zu, dass es gewagt ist, sich von einem geschichtswissenschaftlichen Beispiel aus wieder zurück zu Literaturwissenschaftlichen Theorien zu begeben. Aber letztlich beschäftigen sich Geschichtswissenschaftler zum aller größten Teil auch nur mit Literatur, oder?
Na ja, diese Frage lasse ich einmal offen stehen, sonst kommen wir zu sehr vom Thema ab.
In seinem Vortrag Zwischen Autor und Text, beschreibt Umberto Eco wie sehr das Textverständnis vom Leser abhängig ist. (Was auch eigentlich logisch sein sollte, immerhin habe ich ja schon in den vorherigen Posts schon intensiv damit beschäftigt, vor allem im Sartrepost. Wir erinnern uns: der Leser vervollständigt den Text erst und der Text ist erst ein Text, wenn er gelesen wird. Ganz grob gesagt.) Zusammengefasst erklärt Eco zum einem, dass man als empirischer Leser den kulturellen und sprachlichen Hintergrund des empirischen Autors anerkennen muss um auch dessen Text interpretieren zu können. Wenn man den Autor allerdings nicht kennt, beginnt der Leser auf seinem eigenen kulturellen und sprachlichen Hintergrund zu interpretieren. (Vgl. Eco 1996, 280) Wobei er allerdings nicht über den Text an sich, sondern über den Autor und seine Motive diesen Text zu schreiben, zu spekulieren beginnt (Vgl. Eco 1996, 281). Doch genau in diesem Moment macht der Text sich selbstständig. Jeder weiß, dass ein Text aus Wörtern besteht und diese Wörter sind festgelegt. Das Problem ist allerdings, dass jeder jedes Wort immer ein bisschen anders versteht als der andere. (Wenn ich jetzt den Begriff "Haus" in den Raum werfen würde, würde jeder meiner Zuhörer ein anderes Haus vor seinem innerem Auge haben, als ich und die anderen im Raum.)
Der Autor kann Motive und Verweise in seinem Text einbauen, doch nicht jeder Leser würde sie erkennen und somit den Text anders auffassen, als ein Leser, der diese erkennt. Der Autor kann seine Intention also andeuten, aber nicht konkret in seinem Text nennen, denn jeder Leser ist unterschiedlich und so kann es unendliche verschiedene Versionen des Textverständnis und der daraus geschlussfolgerten Intention des Autors kommen.
Umberto Eco erfuhr in seiner Rolle als Autor selbst, dass Leser in seinen Texten Motive und Intentionen fanden, die er selbst gar nicht beabsichtigt hatte. So würde er also der Content Analysis widersprechen, denn man kann nie genau bestimmen, was ein Autor intendiert. Es wird immer ein schwammiges Konstrukt bleiben. Ebenfalls, kann man nie objektiv analysieren, weil man sich nur auf seinen persönlichen Horizont und seine persönlichen Erfahrungswerte beziehen kann.
Meiner Meinung nach ist die Content Analysis eher mehr ein Modell für die Sozialwissenschaften, als für die Literaturwissenschaften, weil sie sich eher auf Volksguppen und auch politische Sachen konzentriert und demnach abweicht von den Literaturwissenschaftlichen Modellen, die ich bislang kennen gelernt habe. Allerdings möchte ich damit nicht sagen, dass Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaft nicht mit einander verwandt sind und sage auch, dass die Content Analysis auch Literaturwissenschaftliche Züge hat.
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Quellen:
Krippendorff, Klaus (1989): "Content Analysis". In: E. Barnouw et al. (Hrsg): International Encyclopedial of Communication. New York, S. 403-407
Eco, Umberto (2007 [1996]): "Zwischen Autor und Text". Jannidis, Fotis; Lauer, Gerhard; Martinez, Matias und Winko, Simone (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart, S. 279-294
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